Die moderne Sklaverei ist im Baugewerbe auf der ganzen Welt weitverbreitet. In Kambodscha findet ein wahrer Boom auf dem Rücken der in Ziegelbrennereien ausgebeuteten Menschen statt. Viele sind infolge von Mikrokreditprogrammen in Schuldknechtschaft geraten.
Die moderne Sklaverei auf den Baustellen für Mega-Sportereignisse ist in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Sie sorgt dafür, dass eine Bauindustrie überhaupt funktionieren kann, und ist ein integraler Bestandteil dieser Branche geworden. Schuldknechtschaft, die weltweit am häufigsten anzutreffende Form der modernen Sklaverei, ist auch in den Ziegelbrennereien Asiens weitverbreitet. Allein in Kambodscha arbeiten 10.000 Männer, Frauen und Kinder in rund 450 Betrieben, um die Nachfrage für den aktuellen Bauboom zu decken. Das Baugewerbe ist nach dem Bekleidungssektor der zweitwichtigste Wachstumsmotor des Landes.
Wie die Mehrheit in der Industrie sind auch die Arbeitskräfte in den Ziegeleien hauptsächlich Binnenmigrant*innen. In erster Linie stammen sie aus überschuldeten kleinbäuerlichen Familien, oder es sind Arbeiter*innen aus den ländlichen Gebieten. Wegen der durch den Klimawandel häufiger gewordenen Überschwemmungen und Dürren, aber auch zur Unterstützung bei der medizinischen Versorgung sind Mikrokredite dort inzwischen üblich. Verlangt werden meist hohe Zinsen und die Darlehensbeträge steigen, was die Mikrofinanzinstitute zu einer immer laxeren Kreditvergabe veranlasst. Die kleinbäuerlichen Familien müssen erhebliche Zinszahlungen unabhängig davon leisten, ob ihre Ernten erfolgreich waren oder nicht.

Bei Missernten oder bei Krankheiten haben manche irgendwann keine andere Wahl, als Kredite von Ziegeleien anzunehmen, um die Mikrokredite zurückzuzahlen. In der Folge sind sie und oft auch ihre gesamten Famllien gezwungen, sich zu sehr niedrigen Löhnen in den Ziegelbrennereien zu verdingen, um ihre Schuldverpflichtungen gegenüber dem Ziegelfabrikanten über Jahre und sogar Generationen hinweg abzuarbeiten. Selbst Zwölfjährige müssen schon bei der Ziegelherstellung mitarbeiten.
Die Arbeitskräfte dürfen das Fabrikgelände in der Regel nicht verlassen. Wer versucht zu fliehen, wird meistens verhaftet und zurück zur Fabrik gebracht. Diese Schuldknechtschaft stellt einen klaren Verstoß gegen nationale Gesetze wie auch gegen internationale Menschenrechtsabkommen dar, die Kambodscha unterzeichnet hat. Die Arbeitsprozesse sind gefährlich und kräftezehrend. Erwachsene wie Kinder müssen große Klumpen nassen Tons mit Hacken aufbrechen, Schmutz und Steine entfernen und in die rotierenden Metallformen der Maschinen pressen, mit denen die Ziegel geformt werden. Diese müssen anschließend zum Trocknen gestapelt und die bereits getrockneten in die Öfen geschleppt werden. Nach dem Brennen werden die Ziegel zum Abkühlen wie der herausgetragen und mit Schubkarren zu den Lastwagen der Händler gebracht, die sie zu den Baustellen in Phnom Penh und anderswo transportieren.
Die Brennöfen werden üblicherweise mit Holz befeuert, das im Norden des Landes oft illegal geschlagen wird. Um nicht entdeckt zu werden, laden die Arbeitskräfte die Stämme nachts ab. Auch Textilabfälle aus Kambodschas wichtigster Exportindustrie, die die europäischen Fast-Fashion-Handelsketten beliefert, werden in den Öfen verbrannt.
Die Arbeiter*innen, die das Feuer schüren, haben keine Masken und müssen sich mit einem Tuch über Mund und Augen begnügen. Die Bekleidungsabfälle enthalten oft giftige Chemikalien wie Chlorbleiche, Formaldehyd und Ammoniak, in den Textilfarben sind auch Schwermetalle, PVC und Harze enthalten. Die oft wochenlangen Verbrennungsprozesse greifen die Atemwege und allgemein die Gesundheit all derer an, die auf dem Fabrikgelände leben und arbeiten. Auch sonst leiden die Arbeitskräfte unter allen denkbaren Verletzungen und chronischen Gesundheitsproblemen. Diese Arbeitsbedingungen, das Leben in kleinen Wellblechhütten nur wenige Meter von den Brennöfen entfernt, unsichere Maschinen, extreme Temperaturen, Ziegelstaub, der giftige Rauch und Überarbeitung tragen gemeinsam zu den gesundheitlichen Problemen bei.

In der Trockenzeit können manche der Arbeitskräfte auf diese Weise trotz niedriger Löhne und schlechter Bedingungen immerhin ein bisschen Geld verdienen. In der Regenzeit herrschen jedoch andere Bedingungen: Da die wenigstens Ziegeleien überdacht sind, müssen die Arbeiter*innen die zum Trocknen ausgelegten Ziegel abdecken, damit ihre Qualität nicht beeinträchtigt wird. Starke Regenfälle können dennoch die Produktion vorübergehend zum Stillstand bringen. Da es den Arbeitenden nicht erlaubt ist, das Gelände zu verlassen, um anderswo Geld zu verdienen, müssen sie sich vom Ziegeleibesitzer manchmal weiteres Geld leihen, um während dieser Zeit ihre täglichen Ausgaben zu bestreiten.
Alternativen zur Arbeit in den Ziegeleien gibt es kaum, Arbeitslosigkeit und Armut prägen die ländlichen Gebiete Kambodschas. Gleichwohl ist unter den verschiedenen Möglichkeiten, die Migrant*innen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Landesgrenzen haben, die Arbeit in den Ziegeleien besonders unbeliebt und gefürchtet. Sie wird schlecht bezahlt, treibt Arbeitskräfte in die Verschuldung und ist nur unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen zu leisten.